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Faire Löhne für die Pflege

18. Februar 2022

Von Sarah Micucci

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Während die einen von einem nicht akzeptablen Zustand in der Pflege sprechen, welcher insbesondere durch Lohnerhöhungen verbessert werden kann, gibt es Stimmen, welche bereits eine enorme Verbesserung der Gehälter in den letzten Jahren ansprechen und im Vergleich zu anderen Berufen keinen Grund zum „Jammern“ sehen. Aber ab wann ein „Jammern“ über das Gehalt überhaupt gerechtfertigt ist, und woran ein fairer Lohn eigentlich bemessen wird, fällt in hitzigen Diskussionen oft unter den Tisch. Ein Grund mehr einmal genauer hinzusehen.

Was wäre denn jetzt eigentlich ein fairer Lohn?

So einfach zu benennen ist das eben nicht. Auch wenn der Beruf Zweifels ohne eine besondere Form der Belastung mit sich bringt, gilt es auch andere Faktoren zu beachten. Die Soziologin Ute Klammer veröffentlichte hierzu einen Berechnungsansatz. In einem Ranking haben Klammer und ihr Team Berufe in Anbetracht ihrer Gesamtbelastung verglichen. Dabei ging es im Prinzip um folgende Punkte: Welche Ausbildungsform ist erforderlich? Welchen psychischen sowie physischen Belastungen ist man ausgesetzt? Welche Verantwortung hat man gegenüber Menschen zu übernehmen? Und welche Verantwortungsbereiche gelten für Maschinen? Frau Klammer erklärt hierzu, dass so durch etablierte Verfahren Berufe in Kategorien eingeordnet werden können. Durch diese Kategorien ist es dann möglich herauszufiltern, wo unter anderem eben der Pflegeberuf einzuordnen ist und mit welchen anderen Professionen er auf einer Stufe steht, bzw. stehen sollte. So ist es dann auch möglich Differenzen in der Bezahlung faktisch aufzuzeigen. Wie erwartet sind die Ergebnisse hierzu sehr interessant. Die Soziologin äußert aufgrund dieses Ansatzes, dass ein vergleichbarer Beruf zur Pflege zum Beispiel ein Ingenieursberuf wäre. Bei diesem Vergleich gibt sie an, dass die Belastungen der beiden Berufe zwar unterschiedliche Gewichtungen haben, letztlich beim Ranking aber, wie schon erwähnt, verschiedene Aspekt zur Berechnung herangezogen werden, und sich so beide Professionen auf Augenhöhe nähern. (https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/pflege-lohn-101.html Wird in neuem Tab/Fenster geöffnet)

Wenn die Welt fair wäre, dann...

Was würde das letztlich bedeuten? Wenn ein solches Ranking ausschlaggebend werden könnte, so würde dies möglicherweise dazu führen, dass viele Berufe wie die Pflege nicht nur als wichtige Care-Berufe Applaus erhalten, sondern – kurz und knapp – mehr Geld! Denn auch, wenn im Ingenieurswesen eine lange universitäre Ausbildung sowie eine hohe Verantwortung im Umgang mit Maschinen ins Gewicht fällt, kann die Pflege durch die hohe Verantwortung im Umgang mit Menschen, sowie die hohe körperliche und psychische Belastung trumpfen. In einer fairen Welt würde das nach Klammer bedeuten, dass das Gehalt einer Pflegefachperson auf das eines Ingenieurs angehoben würde. Das entspräche in Deutschland ungefähr einem Einstiegsgehalt von 51.000 € im Jahr. Also einem Richtwert von gut 4000 € brutto monatlich für eine ausgebildete Pflegefachperson. Konkret würde das für viele Pflegerinnen und Pfleger sogar eine Verdopplung ihres aktuellen Gehalts bedeuten! Insbesondere die Altenpflege, welche oft schlechter bezahlt wird als die Tätigkeit in einer Klinik, würde von einer solchen Aufwertung enorm profitieren. (https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/pflege-lohn-101.html Wird in neuem Tab/Fenster geöffnet)

Ok! Wer hat Lust zu zahlen?

Und nach solch einer schönen Vorstellung, folgt, wie so oft, auch hier das immer währende Problem: Wie würden diese Gehälter finanziert werden? Der Pflegeexperte Heinz Rothgang weist daraufhin, dass höhere Löhne wahrscheinlich dazu führen würden, dass der Eigenanteil der zu pflegenden Menschen deutlich ansteigen würde. Das wiederum würde dazu führen, dass viele Menschen sich eine Heimunterbringung ihrer Angehörigen nicht mehr leisten könnten und die Pflege zu Hause selbst übernehmen müssten. Zumindest beim aktuellen Finanzierungssystem. Und kaum ausgesprochen wird möglicherweise auch schon wieder etwas in Gang gesetzt, was besonders in sozialen Berufen wieder und wieder Ansprache findet: das schlechte Gewissen. Ist denn so ein hohes Gehalt wirklich vertretbar, wenn dadurch pflegebedürftige Menschen keine optimale Versorgung aufgrund von finanzieller Mittellosigkeit erhalten können? Wäre das nun fair? (https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/pflege-lohn-101.html Wird in neuem Tab/Fenster geöffnet)

Fazit

In welche Richtung Diskussionen über Gehälter auch immer gehen mögen, die Frage nach einem „fairen“ Zustand bleibt schwer zu beantworten. Vielleicht wird es aber langsam mal Zeit, sich wenigstens eines schlechten Gewissens zu entledigen und nach realistischen Möglichkeiten zu schauen, welche eventuell durch Reformen im System erlangt werden könnten. Denn sind wir mal ehrlich, diejenigen, welche in solchen Entscheidungen die Zügel in der Hand halten, befinden sich bei Frau Klammers Ranking höchstwahrscheinlich nicht auf den unteren Plätzen, was den Verdienst angeht. Die Begründung eines moralischen Konflikts bei sozialen Berufen in Verbindung mit einem hohen Verdienst liegt nun wirklich mittlerweile sehr weit hinten in der Geschichte und sollte langsam aber sicher überholt sein. Ein Grund mehr, in die richtige Richtung zu gehen und die Kompetenzen des eigenen Berufes nicht mehr „unter den Scheffel“ zu stellen, oder sich mit schmeichelnden Worten zufrieden zu geben. Pflege auf Augenhöhe mit Ingenieuren? Ja, warum denn nicht?

Autorin

Sarah Micucci

Sie ist ausgebildete Gesundheits- und Krankenpflegerin, sowie Pflegepädagogin (B.A.). Zusätzlich arbeitet sie als Autorin und Textredakteurin für Pflegefachliteratur.

Sarah Micucci

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