Famulatur in New York am NewYork-Presbyterian Hospital
8. Oktober 2019
Von Mikail Öztürk
Seit langer Zeit war es mein Traum, einmal die USA zu besuchen. Mehr als das ist in Erfüllung gegangen, denn ich durfte in einer der aufregendsten Städte der Welt in einer der berühmtesten Institutionen des Landes eine Famulatur in einem äußerst interessanten Fachgebiet absolvieren: Ich habe in New York eine Famulatur in der neurochirurgischen Abteilung des NewYork-Presbyterian Hospital absolviert, das gleichzeitig das Lehrkrankenhaus des Weill Cornell Medical College ist.
Etwa ein Jahr im Voraus habe ich begonnen, meinen Aufenthalt zu organisieren. Alles begann mit einer E-Mail inklusive meines Lebenslaufs an den Chefarzt Prof. Stieg, der schon nach 29 Minuten antwortete, dass ich willkommen sei. Damit hatten sich meine E-Mails an andere Krankenhäuser in New York erübrigt, von denen ich nach einiger Zeit ohnehin nur eine einzige weitere Rückmeldung erhalten habe. Das wäre natürlich zu einfach gewesen, um wahr zu sein: Ich sollte seine Mitarbeiter kontaktieren, die jedoch auf E-Mails nur unzureichend und träge geantwortet haben, aber nach mehr als 50 E-Mails und mehreren Telefonaten, hatte ich es geschafft, alle bürokratischen Hürden zu überwinden, um schließlich erst vier Tage vor meinem Abflug eine endgültige Zusage zu erhalten. Das bedeutet, dass ich meinen Flug, die Unterkunft und das Visum „auf Risiko“ bereits im Voraus organisieren musste. Meine Empfehlung ist es, bei Interesse an einer USA-Famulatur die betreffende Abteilung direkt telefonisch zu kontaktieren oder die Telefonnummern für Patienten zu nutzen und sich weiterleiten zu lassen. Ich war überrascht, dass die Bürokratie teilweise spitzfindiger als in Deutschland umgesetzt wurde. Ein Beispiel dafür ist, dass zur Erstellung einer ID ein Transfer von $ 25 im Voraus gefordert wurde, jedoch mein gesamtes Vorhaben fast daran gescheitert wäre, dass keine Bankverbindung zur Verfügung stand. Ich habe mir von meiner (genauso irritierten) Bank also einen Scheck ausstellen lassen und diesen per Post an das Krankenhaus geschickt. Ansonsten sind jedoch keine Kosten angefallen.
Zur Buchung einer Unterkunft kann ich, auch aus Erfahrung mit weiteren Auslandsaufenthalten, Airbnb empfehlen. Die Preise waren günstiger als die Unterkünfte der Universität für Studierende und bei Problemen ist der Kundendienst oft hilfreich. So wurde beispielsweise meine ursprünglich gebuchte Unterkunft zwei Tage vor Abflug vom Gastgeber kommentarlos storniert, jedoch konnte ich nach einer Beschwerde eine ähnliche (jedoch normalerweise teurere) Unterkunft mit Rückerstattung der Preisdifferenz wahrnehmen. Aus Kostengründen habe ich mich natürlich nicht für eine Unterkunft für mich allein entschieden, sondern ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft. Was ich nicht zum ersten Mal aus Kostengründen gemacht habe, hat sich jedoch bisher immer als Vorteil herausgestellt, denn man kann sich mit den Landsleuten anfreunden und sich gegebenenfalls helfen lassen. Meine Unterkunft war in Manhattan/East Harlem (110th Street/3rd Avenue), was von einigen als etwas gefährlich eingestuft wird. Dieser Meinung kann ich mich jedoch keinesfalls anschließen und konnte feststellen, nachdem ich in New York an vielen Orten bei Tag und Nacht unterwegs war, dass es mittlerweile kaum noch „no go areas“ gibt. Bei der Wahl der Unterkunft kann auch die Anbindung zur U-Bahn relevant sein.
Da den Ärzten in den USA nicht bewusst ist, was eine Famulatur ist und warum wir diese machen, ist meiner Erfahrung nach etwas mehr Eigeninitiative notwendig, um mehr Einblicke zu erhalten. So sollte man zum Beispiel aktiv nachfragen, ob man zu Operationen mitkommen darf. Aus deutscher Perspektive sind Studierende (auch ansässige!) in den USA im Krankenhaus eher Beobachter, wie ich feststellen musste. Man muss sich also bewusst sein, dass man bereits aus rechtlichen Gründen wahrscheinlich etwas weniger Praxiserfahrung als in Deutschland sammelt. Die Vitalwerte der Patienten auf Station werden zum Beispiel von den Krankenschwestern mit portablen Überwachungsgeräten erfasst und als bei einer Visite das Gerät nicht funktioniert hat, sodass ein dortiger Student manuell den Blutdruck messen sollte, wusste er nicht, wie das geht. Es liegt vermutlich auch daran, dass die Studenten dieser „ivy league school“ eher darauf getrimmt werden, sich um jeden Preis an Publikationen zu beteiligen und in der akademischen Welt erfolgreich zu sein. In meinem Fall liegt das zugegebenermaßen auch am Fach, denn als Student kann man nun mal nicht am Gehirn operieren. Ich war jedoch ganz zufrieden mit den kleineren Tätigkeiten, die ich dort machen durfte: Bei neuen Patienten durfte ich zum Beispiel neurologische Untersuchungen wie den Hirnnervenstatus durchführen oder Anamnesen erheben. Es gibt viele Veranstaltungen für Studierende, die ich besucht habe und die das USA-typische Effizienzbestreben verdeutlichen: Damit die Studierenden und „residents“ (Assistenzärzte) keine Zeit mit dem Mittagessen verschwenden, gab es zum Beispiel „boot camps“ bei der es kostenlos Salat und Pizza gibt und man dafür beim Essen einem Expertenvortrag zu einem Thema wie bspw. Epilepsie zuhört. Die Arbeitszeit ist für Residents zwar offiziell auf 80 Stunden pro Woche beschränkt, aber viele arbeiten freiwillig bis zu 100 Stunden pro Woche, in der Hoffnung, als Facharzt in der Zukunft eine geringere Arbeitsbelastung und ein überdurchschnittliches Gehalt zu genießen.
Meine Famulatur in den USA war eine wertvolle Erfahrung, die ich in der Abteilung, von der ich berichtet habe, nachdrücklich weiterempfehlen kann. Sowohl fachlich als auch persönlich konnte ich von meinem Aufenthalt sehr profitieren.
Euer Mikail