Gendermedizinische Aspekte
14. Dezember 2023
Im Oktober 2023 haben das Bundesministerium für Gesundheit und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend den Referentenentwurf eines neuen Gesetzes auf den Weg gebracht („Referentenentwurf eines Gesetztes zur Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung, zu Erleichterungen bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse in der Pflege und zur Änderung weiterer Vorschriften). Das Gesetz geht unter anderem darauf ein, dass künftig in der Pflegeausbildung gendermedizinische Aspekte stärker berücksichtigt werden. Eine wesentliche Verankerung für die Pflege, denn die Gendermedizin rückt immer mehr in Mittelpunkt. Die Tatsache, dass gesundheitliche Aspekte von Männern und Frauen nicht gleich betrachtet, bzw. behandelt werden können, soll also in Zukunft auch vermehrt in die professionelle Pflege von Menschen integriert werden.
von Sarah Micucci
Was ist mit Gendermedizin gemeint?
Bei dem Begriff „Gendermedizin“ geht es um eine geschlechtersensible, oder auch geschlechterspezifische Medizin. Wichtig ist, dass es sich hierbei nicht ausschließlich um Aspekte biologischer Art handelt, sondern soziale Faktoren einschließt. Was bedeutet das genau? Aus biologischer Perspektive steht fest, dass der Körper und die damit einhergehende Gesundheit von Männern und Frauen unterschiedlich sind. Dies bezieht sich unter anderem auf hormonelle, physiologische und metabolische Unterschiede. Aber auch das Gesundheitsverhalten, präventive Maßnahmen und der Zugang zum Gesundheitssystem spielen hierbei wesentliche Rollen.
Was doch eigentlich zunächst ziemlich selbstverständlich klingt, ist in der Medizin lange nicht so behandelt worden. Natürlich gibt es mit der Gynäkologie und der Geburtsmedizin Fachbereiche, welche ausschließlich auf das weibliche Geschlecht ausgerichtet sind. Doch viele andere Gebiete der Medizin, sowie Therapieformen, wurden und werden noch immer nicht spezifisch nach dem Geschlecht auf verschieden Wegen angegangen. Vielmehr ist es oft der männliche Körper, welcher als „Standard“ zur Versorgung diverser Krankheiten herangezogen wird. Und so bestehen in der Gesundheitsversorgung zahlreiche Defizite, die zulasten der Frauen gehen.
Die Gendermedizin hat es sich zur Aufgabe gemacht das zu ändern. Die Menschheit, insbesondere Vertreterinnen und Vertreter des Gesundheitswesens, sollen und müssen für eine geschlechterspezifische medizinische, wie auch pflegerische Versorgung sensibilisiert werden. Wie bereits erwähnt, zählen hierzu nicht nur die biologischen Unterschiede. Was die Aspekte sozialer Natur angeht, so handelt es sich um „sozial erlernte“ Unterschiede zwischen Mann und Frau. Also Stigmata, die im Laufe der Geschichte einem Geschlecht auferlegt und anerzogen wurden. Aufgabe der Gendermedizin ist es auch darauf einzugehen, inwiefern sich solche sozialen Aspekte auf Entstehung, Diagnosen und Therapien von Erkrankungen auswirken.
6 Fakten aus der Gendermedizin
Junge Männer sind im Allgemeinen zufriedener mit ihrem Gesundheitszustand als junge Frauen. Diese Gesundheitszufriedenheit sinkt jedoch bei Männern im Alter schneller ab, als bei Frauen.
Frauen lassen sich häufiger behandeln als Männer. Ab einem Alter von 65 + sind jedoch kaum mehr Unterschiede festzustellen.
Die Mortalität bei jungen Männern ist höher als bei jungen Frauen.
Frauen neigen im Alter eher zur Multimorbidität. Das heißt, sie leiden häufiger an multiplen chronischen Erkrankungen, wie Osteoporose. Bei Männern hingegen, treten im hohen Alter eher lebensbedrohliche Erkrankungen wie Herzinfarkte und chronisch obstruktive Lungenerkrankungen auf.
Männer und Frauen leiden trotz gleicher Erkrankung oft an unterschiedlichen Symptomen. Zum Beispiel wurde bei Schlaganfällen festgestellt, dass Männer als typisches Leitsymptom oft eine halbseitige Lähmung aufweisen. Bei Frauen sind es eher unspezifische Symptome, wie unter anderem Bewusstseinsveränderungen, Müdigkeit oder generalisierte Schwäche. Auch die Anzeichen für einen Herzinfarkt erweisen sich als geschlechterspezifisch. Frauen klagen häufiger über Übelkeit oder Schmerzen im Bauch, welche eher auf einen Magen-Darm-Infekt hinweisen, als auf einen Herzinfarkt.
Männer und Frauen reagieren unterschiedlich auf Arzneimittel. Insbesondere häufig gebrauchte Medikamente, wie Schmerzmittel, Herz-Kreislauf-Medikamente oder Psychopharmaka, lassen eindeutig auf eine unterschiedliche Wirksamkeit bei den Geschlechtern schließen.
Fazit
Die hier angesprochenen Punkte sind nur die Spitze eines Eisbergs, dem man endlich Beachtung schenken muss. Denn im Gegensatz zu manchen Gender-Diskussionen, wo die Meinungen bezüglich der Importanz auseinandergehen mögen, steht hierbei fest, dass die unterschiedlichen Blickwinkel auf die gesundheitliche Versorgung von Männern und Frauen ein Muss sind. Ein sehr schönes Beispiel hierfür sind die oben angesprochenen Vorboten eines Herzinfarkts. Bei Frauen sind es „untypische“ Symptome, die vermehrt beobachtet werden. „Untypisch“ deswegen, weil das zu messende Maß vom Standard der typisch männlichen Symptome ausgeht. Letztlich liegt hier der Grund, dass viele Frauen die korrekte Verdachtsdiagnose erst viel später gestellt bekommen als Männer – nicht selten mit verheerenden Folgen.
Quellen: