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Hausarztfamulatur beim Kinderarzt

1. Januar 2022

Wow. Da stehe ich nun mit meinem Stethoskop in der Hand. Vor mir liegt ein fünf Monate altes Baby mit einer Erkältung. Die Anamnese habe ich hinter mir, was, wie, woher und vieles mehr. Jetzt muss ich das Baby auch untersuchen. Die Mutter schaut mich skeptisch an, der Kinderarzt im Behandlungszimmer sieht noch skeptischer aus. Im Kopf gehe ich die wichtigsten Punkte durch. Lunge, Rachen, die Ohren. Nun stehe ich am Kind und muss wirklich beginnen. Es klappt, denke ich und sage dem Kinderarzt, Lunge frei, Ohren unauffällig und der Rachen sieht auch gut aus. Von Ben Blessmann

Hausarztfamulatur beim Kinderarzt

Bei der Nachkontrolle durch den Kinderarzt fällt diesem der feuerrote Rachen auf. Na gut, es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Ich sehe es jetzt auch und nehme mir vor diesen Nachmittag wieder zu lernen. Bis zum Feierabend ist es dann 18 Uhr und ich raffe mich Zuhause angekommen tatsächlich noch auf, um meine Lücken aufzuarbeiten. Aber was mache ich eigentlich beim niedergelassenen Kinderarzt? Hier in Baden-Württemberg und mit Sicherheit auch in anderen Bundesländern kann man diese Famulatur anstatt einer regulären Famulatur beim Hausarzt absolvieren. Und als Vater von zwei Kindern schien mir das optimal zu sein, um wichtige Skills für Zuhause und den Beruf zu lernen.

Und gelernt habe ich tatsächlich viel. Irgendwann war es normal mit Kindern so zu interagieren, dass diese keine Angst vor mir hatten, Eltern zu beruhigen und sogar meine Diagnosen wurden besser. Natürlich immer unter der Kontrolle meines ausbildenden Arztes oder meiner ausbildenden Ärztin. Es war wunderschön zu erleben, wie ich Handlungssicherheit gewann, in der Achtung meines ausbildenden Arztes stieg und mehr und mehr verstand worauf es zu achten gilt. Alles unter Einschränkung, ich maße mir selbstverständlich nicht an, auch nur in der Nähe der Fähigkeiten eines Facharztes zu sein. Aber auch ohne diese zusätzliche und äußerst fundierte Ausbildung fühlte ich mich nicht hilflos, sondern ich gewann mehr und mehr Spaß an dem Kontakt zu den jungen und sehr jungen Patienten und bemerkte, wie ich mehr und mehr lernen und ausprobieren wollte.

In meiner zweiten Woche war es dann soweit, ich hatte ein Tablett in der Hand, auf dem alles für eine Impfung lag. Im Zimmer angekommen, versicherten wir uns, dass der Vater wirklich einverstanden mit der Impfung durch einen Medizinstudenten war und unter dem strengen Blick einer Ärztin impfte ich zum ersten Mal ein Baby. Ich hatte wirklich viel dazu gelesen, immer wieder zugeschaut und Unsicherheiten vorher abgeklärt und doch in diesem Moment dachte ich mir, bitte mach keinen Fehler. Draußen, nach erfolgreichem Abschluss kam mein Feedback. Alles richtig gemacht, aber der Vater hat meine Nervosität gespürt und wurde gleich mit hippelig. Das sollte ich besser vermeiden. Was für ein Hochgefühl, wieder hatte ich mir etwas zugetraut und durchgeführt. Ich bekam immer mehr Rhythmus und die Stunden, manchen Tages zehn an der Zahl, flogen nur so dahin.

Blutentnahmen bei Neugeborenen durfte ich nicht selbst durchführen, aber interessiert zuschauen. Eine Aufgabe, die wirklich eine ruhige Hand erfordert. Vielleicht im PJ, aber eine Nadel in eine Vene am Schädel zu stecken, hat bei aller Notwendigkeit eine hohe Hürde zur Überwindung. Zumindest für mich.

Bei einer Routineuntersuchung fiel mir eine Verfärbung der Hand des zu untersuchenden Kindes auf. Bei genauerer Betrachtung sah es nach Borreliose aus. Ich machte die Ärztin auf das Erythema migrans aufmerksam. Sie gab mir Recht und wir bereiteten die kleine Patientin auf die nun folgende Blutentnahme vor. Kinder sind selten glücklich bei dieser Vorstellung und so erlebten wir auch hier viele Emotionen gleichzeitig. Bestechung ist hier das Zauberwort! Kekse und die Vorstellung hinterher mit den Eltern etwas besonderes zu unternehmen, führten zur skeptischen Einwilligung. Als ich die Blutentnahme vorbereitete kam sie, die Frage auf die ich so gehofft hatte. Traust du dir das zu? Natürlich und ja, ich darf mich wirklich beweisen. Und, ohje, ich muss mich beweisen.

Bei Erwachsenen kann man verhandeln, ablenken, gut zu reden. Einen Stich in das Nirgendwo des Interstitiums oder eine geplatzte Vene irgendwie erklären. Aber bei Kindern? Wer ein zweites Mal stechen muss, wird garantiert eine lautstarke Situation erleben. Wir gingen wieder in das Behandlungszimmer. Ich suchte mir die beste Vene. Dachte nach und sprach mir selbst gut zu. Das Wichtigste ist die Vermittlung von Sicherheit und das Blut korrekt abzunehmen und dem Kind keine unnötigen Schmerzen zu bereiten und …. Ich stach und dann schaute ich auf den Schlauch und endlich sah ich Blut. Schnell war die Blutentnahme beendet. Wieder ein Hochgefühl und zurück zu den anderen Patienten.

An einem Tag durfte ich im Notdienst mitlaufen. Danke für diese Erfahrung. Es stimmt, bunter durchgewürfelt erlebt man Patienten und Patientinnen nie. Von Schnupfen und 37,2 °C „Fieber“ bis zu Sturz auf den Kopf und dem Fehlen von Reflexen sah ich alles. Und mit jedem neuen Kind brauchte es einen kompletten Reset. Ich glaube ich könnte dazu neigen, meine Patienten zu vergleichen. Wahrscheinlich könnten das viele von uns. Aber Schmerz, Leid und das Gefühl für den eigenen Körper können nur subjektiv sein. Also durchatmen.

In dieser Schicht habe ich auch erlebt, wie schnell der Frust über die Wartezeit an dem medizinischen Personal ausgelassen wird. Und was antwortet der Profi dann? Ich finde die Antwort, wir hatten tatsächlich dringliche Patienten zwar meistens passend, aber ich mag sie nicht. Sie hilft nur selten und verlagert den Konflikt über die bestmögliche Patientenbehandlung auf den Patienten. Der als Laie selten die tatsächliche Dringlichkeit einschätzen kann. Ich finde nett lächeln und „was führt sie heute her“?, als Versuch zum Kernanliegen des Patienten zu kommen recht glücklich. Und es funktioniert meistens auch.

Abschließend möchte ich mich für das Lesen dieses Textes bedanken und ich kann es nur jedem herzlich empfehlen, schaut euch auch die Pädiatrie auf die ein oder andere Weise an. Auch wenn ich wahrscheinlich einen anderen Facharzt wählen werde, werde ich dieses Arbeiten sehr vermissen. Ich finde, es gibt Weniges auf dieser Welt, das so schön ist, wie die Arbeit mit Kindern. Für mich waren es sehr glückliche Wochen.

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