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Künstliche Intelligenz in der Medizin

3. April 2025

In dem im März 2025 erschienenen Titel Künstliche Intelligenz in der Medizin: Anwendungen, Algorithmen und Programmierung Wird in neuem Tab/Fenster geöffnet werden die für die Medizin relevanten KI-Algorithmen nachvollziehbar erklärt: Grundlagen und typische Anwendungsbereiche, die Mathematik dahinter, Daten und Datentypen, Programmierung in Python inkl. Code-Beispielen sowie Erkennen und Vermeiden von Fehlern. Einsetzbar sowohl für Forschungsarbeiten als auch für die Anwendung und Entwicklung KI-basierter Tools im medizinischen Alltag.

1. Wie kam der Entschluss zustande, ein Buch über KI in der Medizin zu verfassen?

Künstliche Intelligenz (KI) ist mittlerweile ein integraler Bestandteil der medizinischen und biologischen Forschung und findet zunehmend Eingang in die klinische Praxis. Viele Studierende kommen beispielsweise im Rahmen ihrer Promotion mit KI in Kontakt, wo dann unmittelbar ein fundiertes Wissen notwendig ist. Auch im späteren klinischen Alltag wird ein grundlegendes Verständnis der Funktionsweise, Anwendungsmöglichkeiten und ethisch-juristischen Aspekte von KI immer wichtiger. Dennoch bereiten viele Studiengänge, insbesondere das Medizinstudium, darauf kaum vor. Das Thema wird allenfalls in Statistik-Vorlesungen angeschnitten, aber selten vertieft behandelt. Auch auf dem deutschsprachigen Büchermarkt fehlten bislang Lehrbücher zum Thema KI in der Medizin, die nicht nur die Anwendungsbeispiele erklären, sondern auch die mathematischen Hintergründe und die Programmierung der Algorithmen.

Eine besondere Herausforderung besteht darin, mathematische, informatische und ethisch-juristische Inhalte so zu vermitteln, dass sie ohne umfangreiches Vorwissen verständlich bleiben. Mit diesem Ziel vor Augen gründeten wir im Jahr 2020 den Arbeitskreis OneAIM („Artificial Intelligence in Medicine“) an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und der Technischen Universität München (TUM). In zahlreichen Vortragsreihen, Programmierkursen, Führungen in Start-Ups, wissenschaftlichen Symposien und semesterbegleitenden Seminaren haben wir über die Jahre hinweg Grundlagen zur KI vermittelt. Dabei stießen wir auf einen schier unstillbaren Wissenshunger der Studierenden zu diesem Thema. Schnell wurde deutlich, dass ein Lehrbuch unerlässlich ist, um eine breitere Zielgruppe aus Studierenden, Praktizierenden und Forschenden zu erreichen und ein effektives Selbststudium zu ermöglichen.

2. Was sind die grundlegenden Unterschiede zwischen künstlicher Intelligenz, Machine Lernen und Deep Learning, und wie werden diese Begriffe im Kontext der medizinischen Anwendungen definiert?

Die Begriffe künstliche Intelligenz (KI), Machine Learning (maschinelles Lernen) und Deep Learning (tiefes Lernen) sind eng miteinander verwandt, aber klar voneinander abzugrenzen (A[TW1] bb. 1). KI ist ein Teilbereich der Informatik, der alle Algorithmen umfasst, die biologischer Intelligenz in irgendeiner Form ähneln oder diese nachahmen. Dazu zählen sowohl einfache regelbasierte Systeme als auch fortgeschrittenere Methoden wie Regressionen oder Entscheidungsbäume, sowie komplexe neuronale Netze.

Machine Learning ist eine Unterkategorie der KI und umfasst Algorithmen, die eigenständig aus Daten lernen und ihre Leistung dadurch verbessern können. Zu verstehen, was das genau bedeutet, ist gar nicht so trivial. Um ein Beispiel zu liefern: Neuronale Netze fallen in den Bereich des Machine Learning. Sie bestehen aus künstlichen Neuronen, die miteinander verknüpft sind – ähnlich den biologischen Neuronen im Gehirn. Die Verbindungen zwischen den Neuronen sind mit Gewichten versehen, die beeinflussen, welche Informationen vom einen zum anderen Neuron übertragen werden. Während des Trainings werden die Gewichte der Verknüpfungen zwischen den einzelnen Neuronen angepasst. Dabei legt nicht etwa ein Mensch fest, wie die Gewichte verändert werden, sondern die Anpassung erfolgt automatisch durch eine mathematische Methode namens Gradient Descent. Dieses Verfahren optimiert die Gewichte so, dass die Ausgabe des Modells schrittweise verbessert wird.

Dabei legt nicht etwa ein Mensch fest, wie die Gewichte verändert werden, sondern die Anpassung erfolgt automatisch durch eine mathematische Methode namens Gradient Descent. Dieses Verfahren optimiert die Gewichte so, dass die Ausgabe des Modells schrittweise verbessert wird.

Deep Learning umfasst schließlich besonders große („tiefe“) neuronale Netze, die komplexe Berechnungen und Modellierungen durchführen können und dadurch oft sehr leistungsstark sind. Auch Systeme wie etwa ChatGPT basieren u.a. auf großen neuronalen Netzen und fallen demnach in den Bereich Deep Learning.

Im medizinischen Kontext entscheidet der Anwendungsfall über die Wahl des Algorithmus. Spielt die Nachvollziehbarkeit der Analysen bzw. die Erklärbarkeit der Ergebnisse eine wichtige Rolle, eignen sich ggf. simplere Algorithmen wie lineare Regressionen oder Entscheidungsbäume. Für anspruchsvollere Aufgaben wie die Vorhersage der Faltung von Proteinen oder dem automatischen Verfassen von Arztbriefen sind große neuronale Netze und Abwandlungen dieser notwendig.

Künstliche Intelligenz illustration

3. Welche spezifischen Beispiele zeigen den Einsatz von KI-Algorithmen in der Medizin, und welche Vorteile bieten sie in diesen Anwendungen?

Im Allgemeinen kann KI eine Vielzahl unterschiedlicher Daten verarbeiten und analysieren. Besonders in der Medizin entstehen täglich enorme Datenmengen: Texte aus Anamnesegesprächen, Untersuchungsbefunden, OP-Berichten, oder Arztbriefen; tabellarische Daten wie Laborwerte; unterschiedliche Bilder aus der Radiologie, Pathologie, Dermatologie, oder Augenheilkunde; kontinuierlich erhobene Daten wie das Monitoring von Vitalparametern, elektrophysiologische Daten wie EKGs, EEGs, und viele mehr. KI-Systeme können diese Daten effizient auswerten und so Diagnosen stellen, Therapieempfehlungen geben, Prognoseeinschätzungen liefern, und medizinische Abläufe optimieren. Die meisten zugelassenen KI-Anwendungen existieren derzeit in der Radiologie, wo KI insbesondere zur Befundung der Bilder genutzt wird.

KI kann aber nicht nur existierende Daten analysieren, sondern auch neue Daten generieren – Stichwort generative KI. Das ermöglicht beispielsweise die automatisierte Erstellung von Arztbriefen oder die Generierung synthetischer Daten, die u.a. für das Training anderer KI-Modelle genutzt werden können.

Auch in der medizinischen Robotik gewinnt KI zunehmend an Bedeutung. Häufig kommt dabei das sog. Reinforcement Learning zum Einsatz. Dieses Verfahren basiert auf einem Belohnungssystem, bei dem der Algorithmus verschiedene Aktionen testet und für erfolgreiche Entscheidungen belohnt wird. Ein OP-Roboter kann auf diese Weise lernen, seine Bewegungen so zu optimieren, dass er mit höchster Präzision operiert und Schäden am umliegenden Gewebe vermeidet. Jede erfolgreiche Bewegung verstärkt das erlernte Verhalten, sodass der Roboter künftig noch gezielter und effizienter agiert.

Den Anwendungsmöglichkeiten sind also keine Grenzen gesetzt. Allerdings sind aufgrund gesetzlicher Regelungen wie der Medizinprodukteverordnung (MDR), des AI Acts, oder der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) auch hohe regulatorische Hürden mit der Entwicklung von KI-Anwendungen in der Medizin verbunden.

4. Welche wesentlichen Möglichkeiten und Grenzen bestehen bei der Verwendung von KI-Algorithmen in der medizinischen Praxis? Gibt es Bereiche, in denen sie besonders effektiv oder weniger effektiv sind?

In der Medizin gilt, dass „gut“ oft nicht gut genug ist. Ein KI-Modell, das Röntgenbilder in 85% der Fälle korrekt befundet, mag technisch sehr beeindruckend sein. Es führt in der medizinischen Praxis aber kaum zu einer Zeit- oder Kostenersparnis, da die Ausgaben anschließend noch von medizinischem Fachpersonal kontrolliert werden müssten. Dasselbe gilt für Sprachmodelle, die etwa das Verfassen von Arztbriefen automatisieren sollen. Wirklich nützlich ist die Software nur dann, wenn der generierte Arztbrief allenfalls noch geringfügig überarbeitet werden muss.

Für die Leistungsfähigkeit von KI-Modellen ist die Menge und Qualität der Trainingsdaten ein kritischer Faktor. Obwohl in der Medizin große Datenmengen vorliegen, müssen diese gut strukturiert, divers und repräsentativ sein. Besonders herausfordernd ist dies bei seltenen Erkrankungen, für die oft nur begrenzte Daten verfügbar sind. Biases in den Trainingsdaten können zudem zu diskriminierenden Ergebnissen führen, was eine sorgfältige Kontrolle der Trainingsdaten um so wichtiger macht.

5. Welche Risiken und ethischen Überlegungen sind bei der Implementierung von KI-Technologien im Gesundheitswesen zu beachten, und wie können diese Herausforderungen angegangen werden?

Ethische Fragen spielen eine zentrale Rolle bei der Implementierung von KI im Gesundheitswesen. Datenschutz und Datensicherheit sind essenziell, um sensible Patientendaten zu schützen. Gleichzeitig muss eine Balance zwischen Datenschutz und medizinischem Nutzen gefunden bzw. eine Überregulierung vermieden werden. Methoden wie Anonymisierung oder föderiertes Lernen können helfen, Datenschutzrisiken zu minimieren.

Ein weiteres Problem ist die mangelnde Erklärbarkeit vieler KI-Modelle, das sog. „Black Box“-Problem. In kritischen klinischen Situationen müssen medizinische Fachkräfte Entscheidungen nachvollziehen können. Daher sollten verständliche und transparente Modelle bevorzugt werden.

Letztlich ist der ethische Aspekt der Nicht-Nutzung ebenso relevant: Angesichts des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels ist es unserer Ansicht nach nicht vertretbar, auf KI zu verzichten, wenn sie die Gesundheitsversorgung verbessern kann. Eine verantwortungsvolle und kontrollierte, aber auch mutige und zukunftsweisende Entwicklung von KI-Modellen ist daher vermutlich der beste Weg, das Potenzial von KI im Gesundheitswesen voll auszuschöpfen.

Autorinnen

Laura Velezmoro and Tim Wiegand

Autorinnen Laura Velezmoro and Tim Wiegand