Medizin im Urlaubsparadies Seychellen
16. März 2016
Von Diana Schlüter
Nach 22 Stunden Reise und einer Zwischenlandung in Äthiopien haben wir es endlich geschafft: Bei strahlendem Sonnenschein steigen wir am Flughafen von Mahé, der Hauptinsel der Seychellen. Mit dem Schiff geht es dann nach einigen Tagen weiter nach La Digue, eine der insgesamt etwa 115 Seychellen-Inseln, von denen allerdings nur ein Bruchteil bewohnt ist.
Auf La Digue haben wir ein Appartement gemietet. Unsere Gastgeberin ist wie fast alle Seychellois sehr freundlich und lädt uns auch prompt zu einem echten seychellischen Barbecue ein. Dabei kommen wir im Laufe des Abends natürlich auch mit unseren Gastgebern ins Gespräch und ziemlich schnell werde ich nach meinem Studium gefragt. Die Antwort „Medicine, Second year“, wird natürlich gleich als Anlass genommen, mich ausführlichst über das seychellische Gesundheitssystem aufzuklären und mir nahezulegen, doch mal ein Praktikum im Victoria Hospital zu machen.
Über das Gesundheitssystem bin ich aber dennoch etwas überrascht, ist es doch ganz anders als das bekannte deutsche Pendant. Auf den Seychellen ist jeder Einwohner krankenversichert. Muss allerdings, anders als in Deutschland, nichts dafür bezahlen. Man hat die Möglichkeit sich privat zu versichern, muss dies dann selbst zahlen und bekommt im Gegenzug beispielsweise im Krankenhaus eine Unterbringung in 2-Bett- statt 6-Bett-Zimmern. Krankenkassen gibt es hier also nicht, die Gesundheitsversorgung wird komplett vom Staat finanziert. Ein richtiges Krankenhaus gibt es nur auf Mahé, auf den anderen größeren Inseln wie Praslin und La Digue gibt es lediglich Krankenstationen, die von der Versorgung her in etwa das abdecken können, was in Deutschland ein Allgemeinmediziner in seiner Praxis leisten kann. Alle darüber hinaus behandlungsdürftigen Krankheiten werden nach Mahé überwiesen oder für komplizierte Operationen gleich in eine indische Klinik verlegt. Die Kosten hierfür trägt wiederum der Staat.
Da wir die letzten 9 Tage unseres Urlaubs auf Mahé verbringen, beschließe ich, dem Victoria Hospital einen Besuch abzustatten. Vielleicht ergibt sich ja doch mal die Gelegenheit hier eine Famulatur zu absolvieren. Ich spreche also einfach einen mir im Krankenhaus über den Weg laufenden jungen Mann an, der aufgrund seiner OP-Kleidung eindeutig als Mitarbeiter zu identifizieren ist. Und tatsächlich: er arbeitet in der Chirurgie und organisiert im Handumdrehen eine Mitarbeiterin, die mich herumführt und mir die einzelnen Stationen zeigt. Unter anderem gibt es hier eine Intensivstation und je eine psychiatrische, pädiatrische und gynäkologische Station. Eine Besonderheit stellen die chirurgischen Stationen dar. Hier gibt es eine separate Station für Frauen und eine für Männer. Nach der Führung wird mir nahegelegt mich doch einfach noch ein wenig umzusehen. Ich marschiere also einfach mal durch die Tür mit der Aufschrift „Male Medical Ward“ (die chirurgische Station für Männer) und spreche eine Krankenschwester an. Zufällig bin ich hier anscheinend an die Oberschwester geraten, die mir bereitwillig alle meine Fragen beantwortet. Die Station hat 48 Betten und hier arbeiten insgesamt 13 Krankenschwestern. Wie ich überraschenderweise erfahre herrscht auch hier, ähnlich wie in Deutschland, ein massiver Mangel an Pflegepersonal sowie Ärzten. Da ich bislang ausschließlich auf indische Ärzte getroffen bin frage ich nach, ob man auf den Seychellen überhaupt Medizin studieren kann – dies wird bejaht. Das Studium erfolgt nach amerikanischem Modell. Dennoch kommen die meisten der im Victoria Hospital tätigen Ärzte aus Indien oder Südafrika.
Was mir direkt beim Betreten der Station auffällt und mich ehrlich gesagt doch etwas schockiert hat, ist die Art der Unterbringung der Patienten. Es gibt hier keine richtigen Zimmer, sondern lediglich türlose, sehr offene Räume mit je 6 Betten, die nur durch Vorhänge voneinander abgegrenzt sind. Die Patienten sind also den Blicken der auf dem Flur vorbeilaufenden Personen schutzlos ausgeliefert. An Privatsphäre ist hier nicht zu denken.
Als nächstes schickt mich die nette Schwester in den OP, auch dort führt man mich bereitwillig herum. Es gibt hier nur 3 OP-Säle, die von verschiedenen Fachrichtungen abwechselnd genutzt werden: es werden einfache allgemeinchirurgische, orthopädische, gynäkologische und HNO- Operationen durchgeführt, es finden hier pro Quartal etwa 1000 Eingriffe statt.
Hinsichtlich Famulaturen habe ich erfahren, dass dies in jedem Fachbereich möglich ist. Allerdings muss man sich rechtzeitig bewerben. Für August 2016 hätte ich zum Beispiel keinen Platz mehr in der Chirurgie bekommen, da dieser Bereich wohl sehr gefragt ist. Ein weiterer Wermutstropfen sind die Kosten: für ausländische Studenten wird eine Gebühr für die Famulatur erhoben. Dazu kommen noch private Kosten für Unterkunft und Versorgung vor Ort. Alles in allem bietet das seychellische Krankenhauswesen aber auf jeden Fall ein kontrastreiches Programm zu dem gewohnten deutschen Standard und ist somit für alle, die eine etwas andere Famulatur fernab des Gewohnten machen wollen, auf jeden Fall eine Erfahrung wert. Nicht zuletzt auch wegen der landschaftlich und strandtechnisch paradiesisch schönen Seychellen-Inseln.
Eure Diana